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Verschiedene Häuserarten vor türkis-blauem Hintergrund als Illustration

Wohnen in Deutschland – ein Blick zu den „Nachbarn“

In Deutschland fehlt Wohnraum. Hier ist besonders die Politik gefragt: Zu viel Bürokratie, zu hohe Anforderungen an Baustandards, fehlende Planungssicherheit bei staatlicher Förderung – sind neben dem allgemeinen Fachkräftemangel häufig benannte Bremsen für die Wohnraumschaffung. Aber wie gehen andere Länder in Europa eigentlich mit dem Thema um? Inwieweit lassen sich dort bewährte Maßnahmen auch auf hiesige Verhältnisse übertragen?*

Finnland und Norwegen: Die Skandinavier legen dabei gewissermaßen schon einen Finger in Deutschlands nachhaltige Digitalisierungsrückstand-Wunde: Sie haben ihre Bauantragsprozesse digitalisiert – mit dem Erfolg, Baugenehmigungen durch digitale Antragstellungen und automatisierte Prüfverfahren effizient zu beschleunigen. Die Einreichung von Bauanträgen erfolgt bei der digitalen Kommunikation zwischen Antragstellenden und Genehmigungsbehörden unter Verwendung dreidimensionaler Modelle. Die Prüfung baurechtlicher Anforderungen (beispielsweise an die Statik, Abstandsflächen und Energie) läuft automatisiert. Die Integration beteiligter Fachstellen findet über zentrale Plattformen statt.

Zwar ist der anfängliche Aufwand für technische Infrastruktur und Schulungen zunächst hoch, eine Herausforderung können auch föderale Zuständigkeiten sein – die Vorteile liegen dann aber in deutlicher Zeitersparnis, Fehler- und Kostenreduktion sowie verbesserter Verfahrenstransparenz wie -nachvollziehbarkeit.

In Deutschland laufen erste Pilotprojekte einzelner Bundesländer für eine Digitalisierung von Baugenehmigungen. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 alle Genehmigungsprozesse hier verbindlich zu digitalisieren. Dafür bedarf es einer Harmonisierung von Prüfkriterien und Formaten. Mit Projekten wie „Bauantrag Digital“ und dem „Bauportal Deutschland“ als künftiger Plattform arbeitet man am Fortschritt.

Niederlande: Ein bemerkenswertes Konzept unserer niederländischen Nachbarn, mit dem sich Zeit und Baukosten einsparen lassen, ist die Wiederverwendung bereits bestehender Wohnkonzepte: Hier nutzt man Konzepte, die von Baufirmen und Wohnungsunternehmen von vornherein wiederverwendbar entwickelt wurden: Einmal geprüft lassen sich diese dann andernorts relativ einfach wiederholen – wobei man sich auch industrieller Vorfertigung bedient. In den Niederlanden bezeichnet man dieses „serielle Bauen“ als „conceptueel bouwen“ (wörtlich übersetzt „konzeptionelles Bauen“).

Erreicht werden so Bauzeitverkürzung und Kosteneffizienz sowie – auf Basis des bereits Erprobten – auch eine hohe Ausführungsqualität bei vergleichsweise geringem Risiko. Zudem sind Planung und Ausschreibungen vereinfacht. Eine Auswertung von 60 Bauprojekten ergab, dass diese Bauweise um durchschnittlich 22 Prozent günstiger und etwa 16 Monate schneller als die herkömmliche ist.

Wichtig hierbei: eine landesweite Zentralisierung von Genehmigungen und Anerkennung von Standardzulassungen durch die kommunalen Bauämter. Mögliche Nachteile sind gestalterische Monotonie und bei mangelndem Wettbewerb auch die Gefahr einer Machtkonzentration auf nur wenige Anbieter.

Vergleichbare Ansätze gibt‘s in Deutschland bei seriellen Ausschreibungen der öffentlichen Hand für Kita-Einrichtungen (Kindertagesstätten). Insgesamt ist hier allerdings für eine Ausweitung noch reichlich Luft nach oben – etwa über die Einführung zentraler Typengenehmigungen für Standardbauten.

Daneben arbeitet der niederländische Wohnungsbau an Kosteneinsparungen durch flexiblere Fluchtwegkonzepte ohne Einbußen bei der Sicherheit: Indem anstelle starrer baulicher Vorgaben funktionale Schutzziele im Fokus stehen. Der Rahmen für (günstigere) Brandschutzalternativen wird erweitert. Berücksichtigt man in den Niederlanden auch noch die Anpassungen beim Schallschutz, errechnen sich hier Einsparungen von bis zu 12 Prozent der durchschnittlichen Baukosten.

Dänemark: Beim Blick über unsere unmittelbare nördliche Grenze trifft man ebenso auf die Entschlackung von Baunormen – wobei auch hier Schutzziele anstelle (überregulierter) Detailnormen Vorrang bekommen: Technische Vorschriften werden vereinheitlicht, vereinfacht und reduziert. Behörden erhalten standardisierte Formulierungshilfen. Unter Kosten-Nutzen-Aspekten setzt man auf die „Regelcheck“-Einführung für neue Normen. Digitale Zugriffsmöglichkeiten und eine verständliche Struktur sorgen für hohe Akzeptanz. Über 800 technische Einzelvorgaben konnte man damit bereits auf ein Viertel reduzieren.

Zu den Herausforderungen gehört, Lücken – die durch nicht eindeutig formulierte Schutzziele entstehen können – zu vermeiden. Auch ist der Abbau bestehender Vorschriften politisch anspruchsvoll, soweit etablierte Interessen berührt werden. Eine Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Normungsgremien ist erforderlich. Vorteile sind Kostenersparnis sowie einhergehend mit besserer Verständlichkeit auch eine höhere Rechtssicherheit. Das macht‘s vor allem für kleinere Architekturbüros und Bauherren einfacher.

Der Ruf nach „weniger Regulierung“ ist auch in Deutschland laut: So steht die Prüfung vieler technischer Normen hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Kostenwirkung hier ebenfalls im Raum. Für neue Vorgaben mag eine vorgeschaltete Wirkungsfolgenabschätzung „regulierungsbremsend“ wirken. Ein weiterer Lösungsansatz ist die Nutzung digitaler Baunormenplattformen mit Kommentierungsfunktion.

Schweden: Noch weiter nördlich baut Schweden auf Kostensenkung und Beschleunigung durch flexiblere Standards im sozial geförderten Wohnungsbau. Dabei konzentriert man sich ebenfalls auf funktionale Mindeststandards zum Beispiel beim Brandschutz oder der Vermeidung von Barrieren – während technische Anforderungen etwa in Bezug auf Ausstattung, Raumgrößen und Stellplätze reduziert werden.

Angesichts der niedrigeren Baukosten wie auch schnellerer Planungs- und Genehmigungsprozesse ist hierdurch sogar eine breitere Ausweitung von Förderungen möglich, ohne den Haushalt zusätzlich zu belasten.

In Deutschland diskutiert man die Vereinfachung von Anforderungen im geförderten Wohnungsbau zum Beispiel durch Verringerung baulicher Komfort- und Energieanforderungen wie den Wegfall von Stellplatzpflichten. Im Gespräch ist eine sogenannte „Experimentierklausel“. Herausfordernde Aspekte sind die Qualitätssicherung wie auch die lokale Akzeptanz beim Abweichen von etablierten Standards.

Frankreich: Ins gleiche Horn im Sinne von „Innovation statt Überregulierung“ bläst Frankreich – mit mehr Flexibilität bei technischen Vorschriften und möglichen Normenabweichungen, sofern Schutzziele gleichwertig erfüllt werden.

Zudem verfolgen die Franzosen mit Genossenschaftlichem Wohneigentum noch ein weiteres erfolgreiches Vorgehen zur Schaffung dauerhaft bezahlbaren Wohnraums: Dieses schon seit 2017 bestehende Erbbaurechtsmodell Bail Réel Solidaire (BRS) fußt auf der Trennung von Boden und Gebäude. Der Boden verbleibt dabei im Eigentum eines gemeinwohlorientierten Fonds während das Gebäude darauf separat verkauft wird – zum vergleichsweise niedrigen Preis eines Erbbauzinses für die Bodennutzung. So kann ein Reihenhaus zum Beispiel dann auch schon mal für die Hälfte eines „normalen“ Immobilienkaufs zu bekommen sein, da der Bodenpreis (oft der entscheidende Bestandteil preistreibender Bodenspekulation**) aus den Anschaffungskosten rausfällt. In der Regel können die Einsparungen bei um die 30 Prozent liegen. Mithilfe dieses Modells können sich auch Haushalte mit geringeren Einkommen ohne staatliche Zuschüsse Wohneigentum leisten und Vermögen bilden. Einige Unternehmen nutzen dieses Konzept der Wohnraumversorgung auch zur Mitarbeiterbindung.

Eine Herausforderung ist die anfängliche Bündelung von notwendigem Kapital wie auch die Koordination privater Akteure. Für den Zugang zu geeigneten Grundstücken kommt es häufig auf kommunale Unterstützung an. Der Käuferseite sind Transparenz und langfristige Sicherheit besonders wichtig: Das Erbbaurecht erstreckt sich in der Regel über 99 Jahre mit Verlängerungsoption.

Vergleichbare Überlegungen und Ansätze zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums gibt es in Deutschland zum Beispiel in Verbindung mit Stiftungskonzepten**. Im Großen und Ganzen steckt die Umsetzung hier allerdings noch in Kinderschuhen – sicherlich mit bislang ungenutztem Wachstumspotenzial.

*   Angaben basieren im Wesentlichen auf Ergebnissen der Sparda-Studie Wohnen in Deutschland 2025*** (Herausgeber: Verband der Sparda-Banken e. V.)

** Mehr zu einigen Details findet sich im früheren Beitrag vom 17.07.2023: Erbpacht als Gegengewicht zur Bodenspekulation?

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17.07.2025